Gedenksteine erinnern an das Schicksal der Wegberger Juden

„Keiner kam zurück“

Vor geladenen Gästen wurden am Anne Frank Tag 28 Gedenksteine auf dem Schulhof der Schule am Grenzlandring in Wegberg enthüllt. Diese Steine hatten die damaligen Neuntklässler*innen anlässlich des ersten Anne Frank Tages an der Hauptschule im Jahr 2022 gestaltet. Am 10. Juni dieses Jahres trotzten die jetzigen Achtklässler Christian Jackels, Ben Römgens, Tim Sülberg und Lehrer Heribert Braun gemeinsam mit Christopher Pint und Andreas Ramächers vom Garten- und Landschaftsbau-Unternehmen Ramächers dem Regen und verlegten die Gedenksteine. Zuvor waren diese vom Maler- und Lackeriermeister-Betrieb Klaus Buchholz imprägniert worden.

„Die Gedenksteine sollen unmissverständlich daran erinnern, dass wir verstehen, nicht vergessen und uns gegen jeden Angriff auf unsere demokratische Grundhaltung verwahren“, betonte Schulleiterin Angela Theißen in ihrer Rede. Farbenfroh gestaltet unterbrechen die Steine das ansonsten einheitliche Grau des Pflasters und machen so auf das Schicksal der Wegberger Familien Salm, der im Amsterdamer Hinterhaus Versteckten sowie deren Freunde und Helfer aufmerksam. Die Gedenksteine führen vom Beginn des Schulhofes direkt zum Haupteingang. 

Das EvHa, das evangelische Jugendheim Wegberg, beteiligte sich ebenfalls am Anne Frank Tag und lud gemeinsam mit Fünftklässlerinnen die Gäste ein, auf dem Schulhof den jüdischen Tanz Hava Nagila zu lernen. Es handelt sich um ein hebräisches Volkslied, das traditionell bei jüdischen Feiern gesungen wird.

Erschütternd war der Bericht von Alex Salm aus dem Jahr 1995, den Sonderpädagoge Dieter Ginnuttis vorlas. Alex Salm, der einzige Wegberger Jude, der die Shoah überlebt hatte, schilderte darin eine Kindheit und Jugend, in der er und seine Angehörigen im ländlichen Wegberg Ausgrenzung, Hass und Gewalt erlebten. „Keiner kam zurück“, mit diesen wenigen, fassungslos machenden Worten schilderte er die Ermordung seiner Eltern, seiner drei Geschwister, seines Onkels, seiner Tante und seines Cousins. 

Wie tiefsinnig Annes Gedanken und Gefühle waren und wie sehr sich auch heute Jugendliche damit identifizieren können, zeigte die Inszenierung „Wir sind Anne“. Zehn Schülerinnen hatten unter der Leitung ihrer Lehrerin Meltem Bayir Zitate aus dem Tagebuch einstudiert, die sie im GaudiMax eindrucksvoll vor einem tief beeindruckten Publikum rezitierten. 

Berührend waren auch die Briefe an Anne, die die Fünftklässler*innen am 12. Juni 2024 anlässlich des 95. Geburtstags von Anne Frank verfasst hatten, und den Gästen nur zwei Tage später vorlasen. „Ich schreibe Geschichten, weil ich dich als Vorbild nehme. Du warst einzigartig und kreativ auf deine Art und Weise“, so Carolin Wright. Wie reflektiert schon Fünftklässler sein können, zeigt eine Passage aus Robin Tutkos Brief: „All die Jahre haben sich die Leute geschworen, wir führen nie wieder Krieg, aber jetzt im Jahr 2024 denken manche, dass es wieder wie früher sein soll.“

Melina Tutko, ehemalige Schülerin und eine derjenigen, die die Gedenksteine vor zwei Jahren gestaltet hatten, betonte in ihrer Videoansprache, wie wichtig der Anne Frank Tag für die Gesellschaft ist. Melina forderte: „Helft und respektiert einander! Wenn ihr Menschen auf der Straße seht, die andere diskriminieren, dann geht dazwischen!“ 

Auf großes Interesse stieß auch die Ausstellung, in der die Arbeitsergebnisse aller Jahrgangsstufen sowie die Plakatausstellungen des Anne Frank Zentrums präsentiert wurden. Die Deutschförderklasse und drei Neuntklässlerinnen hatten ihre Gefühle anlässlich des Schicksals von Anne Frank kunstvoll auf Leinwand gebannt, Zehntklässler*innen informative Plakate über Annes Leben gestaltet und ebenfalls Briefe an Anne geschrieben. Mittels einer selbst gezeichneten Europakarte hatten Siebtklässler*innen die Lebensstationen von Anne Frank sichtbar gemacht und Lapbooks zu einer Graphic Novel über ihr Leben erstellt. Neuntklässler*innen informierten mit interaktiven Plakaten darüber, wie Social Media Rechtsextremismus beeinflusst und die Politik extremistisch unterwandert. 

Überaus köstlich waren die Sabiches, Sandwiches nach jüdischen Rezepten, die die Neunt- und Siebtklässler*innen unter Leitung ihrer Hauswirtschaftslehrerin Verena Schoder servierten. 

Auch im kommenden Jahr möchte die Schule am Grenzlandring wieder am Anne Frank Tag teilnehmen – dann bereits zum vierten Mal. „Wir schauen nicht weg bei Intoleranz, Mobbing, Respektlosigkeit, Antisemitismus, Rassismus und jeder Form von Extremismus. Für uns zählt die Wertschätzung aller Menschen, daher sind solche Aktionstage für uns ungeheuer wichtig“, sagte Lehrerin Birgit Gravermann, die den Anne Frank Tag an der Schule am Grenzlandring koordinierte.